Tschechoslowakische Panzerentwicklung vor dem Zweiten Weltkrieg

Die Tschechoslowakei entstand aus den Ruinen des österreichisch-ungarischen Monarchie, die infolge des Krieges und innerpolitischen Konflikte 1918 zerfiel. In den zwei Jahrzehnten ihres Bestehens vor dem Zweiten Weltkrieg ist es eines der am weitesten entwickelten Länder der Region gewesen, das über die meisten Industrieanlagen des zerfallenen Imperiums verfügte. Bereits lange Zeit vor der Unabhängigkeit ist die von den tschechischen Škoda-Werken produzierte Artillerie weltberühmt gewesen, weshalb es für tschechische Firmen nur selbstverständlich war, die Erfahrung im Waffenbau für die Entwicklung von Panzern einzusetzen.

Die Anfänge

Die tschechoslowakische Armee ist von Anfang an als motorisierte Armee konzipiert gewesen, um die relativ niedrige Zahl an Soldaten zu kompensieren. Das wohl wichtigste Element ihrer Philosophie, die Mobilität, fußte auf Erfahrungen der Legionen. Tschechoslowakische Legionen in Russland setzten auf mobile Kriegsführung, mit Infanterieeinheiten, die im Feuerschutz von Panzerzügen agierten und kontrollierten stellenweise die gesamte transsibirische Eisenbahnlinie, bevor sie aus Wladiwostok evakuiert wurden in in ihre Heimat zurückgelangten. In den folgenden Jahren wurden Führungspositionen oft mit Offizieren der Legion besetzt.

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In der frühen Phase (1918-1920) besaß das tschechoslowakische Militär so gut wie keine gepanzerten Fahrzeuge, abgesehen von einigen betagten Panzerzügen und sehr alten Panzerfahrzeugen aus italienischer Produktion. Das schwere Gerät, das von der Legion in Russland verwendet wurde, verblieb bei der Evakuierung der Truppen im Land.

Und wie so oft zu jener Zeit, sind die ersten Panzer der tschechoslowakischen Armee französische Renault FT gewesen. Die ersten fünf Fahrzeuge wurden 1919 erworben und zwischen 1922 und 1923 geliefert, zwei weitere 1924. Die 20er Jahre sind ziemlich chaotisch gewesen, was die Entwicklung von Panzerfahrzeugen betrifft, weil sich die Experten der tschechoslowakischen Armee nicht auf die taktische Rolle von Panzern einigen konnten, weshalb der Renault FT für lange Zeit das einzige gepanzerte Kettenfahrzeug des dortigen Militärs bleiben sollte. Das bedeutet jedoch nicht, dass es keine Versuche gegeben hätte, die Situation zu ändern und erste serienmäßig gefertigte Panzer aus eigener Produktion zu konstruieren.

In den 20er Jahren verlief die Entwicklung von Panzerfahrzeugen in zwei Richtungen. Zum einen versuchten tschechoslowakische Ingenieure des Prager Konstruktionsbüros, den Renault zu verbessern. Das Ergebnis waren zwei Modelle aus den 20er Jahren, der Praga MT („malý tank“ oder kleiner Panzer) und der Praga YNH. Der Praga MT ist im wesentlichen ein umgebauter Artillerietraktor gewesen. Das Projekt ging nicht über die Prototypphase hinaus und sollte mit de gleichen Kanone, wie der FT bestückt werden (der 37mm Puteaux). Das Design mit dem langen Rumpf stellte sich im Vergleich zum Original als noch miserabler heraus und die Entwicklung wurde rasch eingestellt. Das zweite Praga-Projekt, das sich an den FT anlehnte, entstand erst 1930 und obwohl es definitiv eine Verbesserung darstellte (der YNH wurde mit der Vickers 44/60mm-Kanone bestückt, die von den ČKD-Werken auf Lizenz gebaut wurde), war es angesichts der Entwicklung von Panzerfahrzeugen nicht mehr zeitgemäß. Diese Rückschläge konnten die Praga-Konstrukteure nicht von ihrer Suche abhalten.

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Die andere Richtung, die die Entwicklung der tschechoslowakischen Panzer einschlug, erwies sich als Sackgasse - es handelte sich um Räder-Raupenfahrzeuge von Joseph Vollmer, einem deutschen Konstrukteur, der Praga einige seiner Patente lizensierte. Das Ergebnis ist die „Kolohousenka“-Serie gewesen, eine Reihe von leichten, gepanzerten Fahrzeugen mit konvertierbarer Aufhängung, deren Konstruktion allerdings sehr kompliziert war. Die leicht gepanzerten Fahrzeuge sind außerdem unzuverlässig gewesen, gewichtmäßig schlecht ausbalanciert und nicht für raues Terrain geeignet. Es wurden einige Prototypen gebaut und Praga versuchte erfolglos, einige davon zu exportieren (unter anderem an Russland). Eins der Erprobungsfahrzeuge wurde einer Militärschule zur Verfügung gestellt und verblieb dort bis 1935. Die Armee hielt noch bis 1934 am Prinzip der Räder-Raupenfahrzeuge fest, bis die eine Doktrin zur Simplifizierung solchen Modellen die Existenzgrundlage entzog.

An dieser Stelle soll daran erinnert werden, dass die gesamten 30er Jahre vom Wettlauf zwischen den neu erstarkten Betrieben Praga und Škoda bestimmt war, die beide ihre Erfolge vorweisen konnten. Praga baute den ersten serienmäßig produzierten tschechoslowakischen Leichtpanzer, den LT Vz.34, sowie den besten Panzer des frühen Zweiten Weltkriegs, den LT Vz.38 (auch bekannt unter seiner deutschen Bezeichnung Panzer 38(t)), während das Rückgrat der tschechoslowakischen Panzermacht baute, den Š-IIa, auch bekannt als LT Vz.35 (bzw. Panzer 35 (t)). Ein „Gewinner“ dieses industriellen Wettkampfs lässt sich nicht bestimmen, schließlich arbeiteten beide Firmen während des Krieges für die deutschen Besatzer und wurden nach dem Krieg verstaatlicht, als die tschechoslowakische Wirtschaft 1948 gleichgeschaltet wurde und jeden „Wettbewerb“ beendete.

Die 30er Jahre

Die Tschechoslowakei steigerte ihre Waffenproduktion in den 30er Jahren enorm, sodass sie zeitweise größter Waffenexporteur der Welt gewesen ist. Leider stellte sich der nächste „Trend“ in Sachen Panzer als nicht so erfolgreich heraus - die Tankette.

Tanketten waren leicht gepanzerte, kleine Militärfahrzeuge für höchstens zwei Mann Besatzung. Die bekanntesten unter ihnen sind die britischen (Carden-Loyd) und französischen Tanketten gewesen, das tschechoslowakische Militär setzte dem im europäischen Ausland so populären Fahrzeug das missglückte Modell Tančík Vz.33 entgegen. Es basierte auf dem Carden Lloyd und ist wahrscheinlich das misslungenste Panzerfahrzeug, das jemals von der tschechoslowakischen Armee in Dienst gestellt wurde. Das Vehikel besaß praktisch keine Panzerung, war langsam, nicht geländetauglich und vor allem unzuverlässig. Ihre einzige Qualität stellte der niedrige Preis dar - das einzige Argument, des für dieses Gefährt sprach. Die Soldaten hassten diese Fahrzeuge leidenschaftlich und ihre Sorgen bewahrheiteten sich, als die Tanketten 1938 erfolglos gegen Nazi-Terroristen im tschechoslowakischen Grenzland eingesetzt wurden. Ungeachtet aller Probleme wurden mehr als 70 davon gebaut. Sie dienten vor allem zu Trainingszwecken und wurden nach der Besatzung der Tschechoslowakei fast ausnahmslos verschrottet.

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Der Aufstieg des Nationalsozialismus und der wachsende Krisendruck in Europa um 1933 veranlassten das tschechoslowakische Militär zu einem radikalen Umdenken. Während Panzer bis dahin als infanterieunterstützende Waffen angesehen wurden, begann man ihnen 1934 eine zentrale Rolle zuzuschreiben, wobei ihre Entwicklung in drei Bereiche gegliedert wurde:

  • Kategorie1 - Tanketten
  • Kategorie II - Leichtpanzer (später nochmal unterteilt in IIa – Kavallerie-Leichtpanzer, IIb – Infanterie-Leichtpanzer und IIc – mittlere Panzer)
  • Kategorie III - Schützenpanzer

Kategorie I erschöpfte sich weitestgehend mit dem P-I (Fabrikbezeichnung des Tančík Vz.33), auch wenn es weitere Prototypen von Škoda gegeben hat (die MU-Serie).

Kategorie II ist da schon interessanter. Der erste serienmäßig gebaute Panzer dieser Kategorie ist der Praga P-II gewesen, der zwischen 1931 und 1932 entwickelt wurde. Es war klassisch konzipierter Leichtpanzer, besaß eine für damalige Verhältnisse ausreichende 15mm-Panzerung und das exzellente 37mm Škoda A3-Geschütz. Der Praga gewann die Ausschreibung des Militärs vor dem Škoda Š-II, auch bekannt als S.U. Bei den Soldaten ist das Fahrzeug als zuverlässig beliebt gewesen, hatte allerdings auch seine Nachteile: bereits 1935 war die Panzerung nicht mehr zeitgemäß und der Panzer relativ langsam (32 Km/h). Es wurde beschlossen, ihn mit einem modernen Modell zu ersetzen. Die übriggebliebenen LT Vz.34 dienten meist als Trainingsfahrzeuge, bis sie 1939 als völlig überholte Konstruktionen den Deutschen in die Hände fielen.

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Der Ersatz für den LT Vz.34 gehörte der Kategorie IIa an. Wie schon so oft zuvor wurden zwei konkurrierende Modelle vorgestellt - der Škoda Š-IIa und der Praga P-IIa. Beide Panzer waren ansehnlich, weil aber Škoda zu jener Zeit enormen politischen Einfluss besaß, wurde der Auftrag dorthin vergeben. Es ist auf jeden Fall die richtige Entscheidung gewesen. Für sein Zeit (1935) war das Fahrzeug einfach perfekt. Es zeichnete sich durch eine gute Panzerung, Feuerkraft und Zuverlässigkeit aus und wurde in der tschechoslowakischen Armee unter der Bezeichnung LT Vz.35 in Dienst gestellt. Es ist mit seinen 34 km/h zwar nicht schnell gewesen, wurde aber von den Besatzungen wegen seiner leichten Bedienung und Instandhaltung geschätzt. Es wurde auch weithin exportiert, in vielen Versionen angeboten und von mehreren Armeen verwendet - erbeutete tschechoslowakische Fahrzeuge wurden zum Panzer 35 (t), die Rumänen nutzten ihn als R-2 und die Bulgaren setzten ihn in leicht modifizierter Form als „Lek tank Škoda“ ein. Am Ende wurden von ihnen 400 Stück gebaut. Im Gegensatz zur Kategorie IIa, wurde die Kategorie IIb nicht wirklich entwickelt, weil weder Škoda noch Praga Fahrzeuge von ausreichender Qualität bauten (P-IIb und Š-IIb).

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Škoda mag bei den vorherigen Projekten die Nase vorn gehabt haben, doch es war das Praga-Werk das am Ende das technische Wunder namens TNH-Fahrgestell vorstellen konnte. Die vom Praga-Ingenieur und Erfinder Alexej Surin entworfene TNH-Serie brachte die besten Leichtpanzer der späten Zwischenkriegszeit hervor. Das vielleicht bekannteste Modell ist der LT Vz.38, der als der neue tschechische Leichtpanzer erkoren wurde, dessen gesamte Produktion jedoch in die Hände der Deutschen fiel. Als überlegener Leichtpanzer seiner Zeit verstärkte es die deutschen Panzertruppen und trug einen gewichtigen Teil zum Erfolg des Blitzkriegs gegen Polen und Frankreich bei.

Es existierten mehrere Varianten des TNH-Panzers und die Serie wurde mit Erfolg nach Schweden (Strv m/41), in den Iran (TNH), nach Litauen, Peru und in andere Länder exportiert. Und während die Fahrzeuge trotz aktualisierten Versionen um 1941 aus dem Gebrauch kamen, fand die Aufhängung weiterhin in diversen deutsch-tschechischen Projekten Verwendung. Das bekannteste unter ihnen ist der Jagdpanzer 38 (t) (fälschlicherweise als „Hetzer“ bekannt). Nach dem Krieg wurde das TNH-Leichtpanzerkonzept in dem Modell TNH 57/900 wieder aufgegriffen, TNH-basierte Fahrzeuge sind bis in die 60er Jahre im Gebrauch gewesen.

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Um das Bild komplett zu machen, müssen die vielen Projekte mit mittleren und schweren Panzern genannt werden. Die Tschechoslowakei produzierte zwei bedeutende Mittelpanzer – den Škoda Š-IIc und den Praga V-8-H, die beide über ähnliche Kraft verfügten und mit der Škoda 47mm-Kanone bestückt waren. Für ihre Zeit (1936-1937) sind sie überaus fortschrittlich und gut gepanzert gewesen. Das Praga-Modell wurde nach ausgedehnten Test dazu bestimmt, unter der Bezeichnung ST Vz.39 der zukünftige mittlere Panzer der tschechoslowakischen Armee zu werden. Dieser Plan scheiterte wegen der deutschen Besatzung und der Panzer ging nicht in serienmäßige Produktion. Škodas Fahrzeug wiederum gelangte im Ausland zur Serienreife - es wurde nach Ungarn verkauft, wo es unter dem Namen „Turán“ diente. Ursprünglich ist der Turán ein modifizierter Škoda-Panzer gewesen, den die Ungarn allerdings schon bald weiterentwickelten (und damit ihre eigene Produktion von mittleren Panzern während des Krieges ankurbelten).

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Anders als die erfolgreichen leichten und mittleren Panzer, sind die „Schwerpanzer“ ein kompletter Misserfolg gewesen. Zwei Projekten gereichte es zum Prototyp (der Š-III von Škoda und der T-III von Tatra, einer Firma mit langer Erfahrung im Bau von gepanzerten Fahrzeugen, ohne entsprechendes Wissen im Panzerbau) und beide waren furchtbar - zu schwer, zu schwach, zu verwundbar und extrem im Treibstoffverbrauch. Die Prototypen wurden vom tschechoslowakischen Militär getestet und gehasst, während die Deutschen sie später als komplett nutzlos einstuften. Sie sind mit aller Wahrscheinlichkeit während des Krieges verschrottet worden.

Die Entwicklung des tschechoslowakischen Panzerbaus während und nach dem Weltkrieg wird im zweiten Teil dieser Serie beschrieben.

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