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Verloren im Schlamm

Wenn die Rede von russischen Soldaten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs ist, dann entweder als tragische Figuren während der deutschen Offensive oder als überlebensgroße Heldengestalten auf ihrem Marsch auf Berlin. In Wahrheit sind es einfache Männer gewesen, mit Hoffnungen, Träumen, Ängsten - und einem ganz besonderen Sinn für Humor. Um die letztgenannte Eigenschaft zu illustrieren, reicht der Blick in ein Tagebuch, das in einem verlassenen T-37 gefunden wurde - einem amphibischen Leichtpanzer, der einst im Schlamm steckengeblieben ist.

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Im Jahre 1942 sind T-37-Leichtpanzer bereits völlig veraltet gewesen. Das einzig mit einem Maschinengewehr ausgerüstete Fahrzeug konnte mit Gewehrschüssen außer Gefecht gesetzt werden und wurde oftmals zu einer tödlichen Falle, statt seiner Rolle gerecht zu werden und den Feind zu besiegen. Das Tagebuch gibt die Einstellung der Besatzung zu dem Panzermodell in guter Weise wieder.

Datum: 26. Mai 1942

An diesem Morgen ist unser Kampfzug wieder zum Auskundschaften der Gegend aufgebrochen. Vor drei Tagen hörte es auf zu regnen, deshalb hoffe ich, dass wir nicht den ganzen Tag damit verschwenden werden, uns gegenseitig aus dem Schlamm zu ziehen. Ich halte die Steuerhebel in meinen verschwitzten Händen und hoffe, dass der Kommandant des ersten Panzers eine möglichst gerade verlaufende Trasse wählt. Die Steuerung ist manchmal genauso eigensinnig, wie unsere Kuh Bjelka. Die kann man wenigstens mit einem Stockhieb wieder in Gang bringen, während sich der Panzer weiter bockig stellt. Der Fehler wird wohl bei uns Fahrern liegen, denn die Ingenieure aus der Fabrik, die den Namen eines revolutionären Kameraden des Genossen Stalin trägt, müssen unfehlbar sein, stimmt‘s?

Ich sehe eine Gruppe von Männern zu unserer Rechten und schließe die Luke. Warum, weiß ich nicht, schließlich schützt uns die Panzerung nur vor der Sonne und ungewollten Blicken. Dafür kann ich jetzt diesen interessanten Blick durch den Sehschlitz genießen - Himmel, Bäume, Gras, Himmel, Bäume, Gras. Ich kann nur raten, wo die Reise hingeht.

Eine kleine Steigung lässt den Motor aufheulen und ich muss hektisch den Gang wechseln, um das Fahrzeug unter Kontrolle zu bringen. Der Politkommissar versuchte uns weis zu machen, dass es sich bei dem Motorheulen um das Geräusch der stählernen Herzen unserer genialen Maschinen handelt. Vielleicht sollte er auch die Maschinen davon überzeugen. Das Geheul wird von Wasjas Fluchen unterbrochen. Der Art nach zu urteilen, wie er die Beine verkeilt und dabei die Gangschaltung und meinen Arm tritt, versucht er das Maschinengewehr auf die Männer zu richten, die gerade aus dem Wald kommen. Er ist zwar ein guter Kerl aus dem Donezbecken, aber ich bezweifle, dass er sein Vorhaben in die Tat umsetzen kann. Ich hoffe nur, dass er dabei nicht ein Paar Zähne verliert und auf die Konsole kotzt, wie beim letzten Mal. Es kleben immer noch Breireste auf dem Thermometer.

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Plötzlich gibt es eine heftige Explosion, Metall knirscht und ich finde mich unter dem freien Himmel wieder. Danach bin ich erst einmal außer Gefecht. Die Frontpanzerung von meinem Kopf zerbeult. Der Motor verkeilt sich und ich sehe immer noch Sterne, während ich versuche, aus dem Fahrzeug zu steigen. Ich weiß wirklich nicht, wieso man die seltsame Kopfbedeckung, die uns im Sommer schwitzen und im Winter frieren lässt, eigentlich Schutzkappe nennt. Auch Wasja kriecht heraus und ich erkenne gleich, dass er engen Kontakt mit dem Magazin des Maschinengewehrs gehabt haben muss. Na jedenfalls fehlen ihm jetzt vier Zähne und ich frage mich, was wohl seine Valentina dazu sagen wird. Unser T-37 hat den vor uns fahrenden Panzer ziemlich übel gerammt.

Die beiden sehen jetzt aus, wie sich paarende Schildkröten. Und all dem Rauch und Gestank nach zu urteilen, hat das stählerne Herz des vor uns fahrenden Panzers aufgehört zu schlagen. Die Besatzung sieht dagegen fast schon erleichtert aus. Den Zwischenfall haben wir mit einigen verbogenen Platten und einem abgefallenen Kettenrad überstanden und können für heute Feierabend machen. Die restlichen drei Panzer unseres Kampfzugs ziehen weiter und ich habe das Gefühl, dass ihre Besatzungen uns beneiden.

Die Männer aus dem Wald sind verschwunden. Vielleicht vor Lachen gestorben. Und ich kann es kaum erwarten, dass unser Panzer repariert wird und wir wieder glorreich in die Schlacht ziehen können...

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