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Interview: „Ich und mein Leopard 2“

Armored Warfare zieht Spieler mit dem unterschiedlichsten Hintergrund an und manche von ihnen verrichten aktiv ihren militärischen Dienst. Einer davon ist Dennis, im Forum besser bekannt als ADSL, der uns freundlicherweise einige Fragen zu seiner Arbeit als Besatzungsmitglied eines Leopard 2 bei der Bundeswehr beantwortet hat.

Was war der Grund für deine Entscheidung, der Bundeswehr beizutreten?

Ich wurde Ende der 70er in Westdeutschland geboren und hatte die Möglichkeit, unmittelbar in meiner Umgebung eine Menge Manöver und militärische Aktivitäten beobachten zu können. In den Wäldern hinter unserem Haus sind speziell in den Sommermonaten viele Soldaten und Panzer unterwegs gewesen. Amerikaner, Niederländer und natürlich auch unsere Jungs ließen dort ihre Ausrüstung krachen. Das war eine ganz andere Zeit damals, der Kalte Krieg war auf seinem Höhepunkt und es gab immer wieder Spannungen zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt. Meine Freunde und ich liebten es, mit den Soldaten zusammenzusitzen, ihre Rationen zu teilen, auf Panzer und andere coole Fahrzeuge zu steigen. Auch für die Soldaten war es eine Abwechslung vom regulären Dienst und für einige - speziell für die Amerikaner - der erste Kontakt mit Deutschen überhaupt. Viele der US-Soldaten kamen im Rahmen der REFORGER-Übung und die meisten waren zum ersten mal in Deutschland. Diese Erfahrungen haben in mir den Wunsch geweckt, Mitglied einer Panzerbesatzung zu werden.

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ADSL

Nach dem Abschluss der Schule und einer Ausbildung entschied ich mich, zur Bundeswehr zu gehen, um einen andere Sicht auf die Dinge zu bekommen. Und ich schwärmte immer noch für Panzer, war fasziniert von ihrer Größe und Lautstärke.

Der Dienst beim Bund in den Neunzigern sah anders aus, als jetzt. Alle jungen Männer mussten 10 Monate Grundwehrdienst leisten (die Dauer wurde nach 1990 schrittweise verkürzt), beziehungsweise Zivildienst, wenn sie keinen Dienst an der Waffe verrichten wollten. Der zehnmonatige Wehrdienst sprach mich nicht wirklich an, denn man konnte weder wirklich wählen, wo es hingeht, noch befördert werden, von dem bescheidenen Sold ganz zu schweigen. Ich entschied mich also für eine längere Dienstzeit, die je nach Beruf und Schulausbildung zwei, vier oder zwölf Jahre betragen konnte. Ich wählte die Unteroffizierslaufbahn, was auf einen vierjährigen Vertrag hinauslief. Ich meldete mich also freiwillig, absolvierte alle Tests und kam schließlich zu einem Karriereberater der Bundeswehr, der mich fragte:

„Nun, du hast alle Tests bestanden und könntest dich für alle Bereiche außer den Fallschirmjägern entscheiden, wo möchtest du also am liebsten hin?“

Und das erste, was ich sagte, war:

“„Es ist egal, wohin sie mich versetzen, solange ich in einem Leopard 2 lande!“”

worauf er antwortete:

Meinst du das ernst? Du könntest eine Karriere als Offizier machen! In der Panzertruppe wirst du nicht weit kommen!“

Ich aber sagte ihm geradeheraus:

„Ich bin nicht daran interessiert, fürs Nichtstun belohnt zu werden. Und es ist mir egal, ob der Job schmutzig ist, solange ich in einen Panzer steigen kann!“

Na jedenfalls begann ich sechs Monate später meine Dienstzeit bei einem der bekanntesten und besten deutschen Panzerverbände, dem Panzerlehrbataillon 93 in Munster.

Kannst du uns einige der besten Momente deiner Dienstzeit schildern?

Das ist eine gute Frage, könntest du sie noch einmal wiederholen? Ich habe so ein seltsames Geräusch im Ohr!

Ich mache nur Spaß, denn natürlich tragen wir unter den Headsets Gehörschutz. Ja, wir stecken uns wirklich Ohropax in die Ohren und setzen dann die Kopfhörer auf. Wenn man sie richtig platziert, kann man immer noch den Funkverkehr hören und ist vor dem lauten Knall der Kanone geschützt.

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Leopard 2A5 of the Bundeswehr, photo by Bundeswehr-Fotos

Im Panzer selbst hört man die Kanone dann fast nicht. Klingt unglaublich, ist aber wahr. Man hört eigentlich nicht mehr, als das Klicken des Verschlusses. Dann gibt es noch die Geschossteile, die nicht verbrennen und nach dem Schuss in einen speziellen Behälter fallen.

Was viel spürbarer ist, sind die Vibrationen beim Feuern. Du spürst förmlich, wie der Panzer durchgerüttelt wird, wenn der Richtschütze den Knopf drückt und durch die oberen Luken Staub in den Panzer dringt. Durch den offenen Verschluss kommt auch etwas Rauch in die Kabine, während der Ladeschütze ein neues Projektil lädt.

Der erste Schuss - das ist ein wahres Abenteuer. Es ist wie bei vielen anderen Dingen, die man zum ersten mal macht. Man weiß, dass es passieren wird, aber man hat keine Ahnung, wann und wie es schließlich dazu kommt.

Unteroffiziere oder Rekruten, die die Unteroffizierslaufbahn gewählt haben, erleben ihren ersten Schuss im Rahmen eines Spezialtrainings. Unteroffiziersanwärter, die Kommandanten einer Panzerbesatzung werden wollen, müssen diesen von uns „Unteroffizierslehrgang Teil II“ genannten Kurs abschließen, der üblicherweise 9 Monate nach Dienstantritt durchgeführt wird. Darin wird man zum Ausbilder für neue Soldaten trainiert, lernt Feinheiten der Panzerführung und erhält das nötige Wissen zum Befehlen von Ladeschützen, Fahrern und Richtschützen. Dazu kommt natürlich auch intensives Training an der Waffe.

Im letzten Teil des Kurses absolvieren die Unteroffiziersanwärter ein Schießtraining (ATN Schießen). Nach diesem Schritt erhält man schließlich das Zertifikat eines Richtschützen für den Leopard 2.

Wie ist er also, der erste Schuss?

Der ganze Tag ist aufregend; die meisten von uns haben ja bereits einen Panzer beim Schießen gesehen. Doch das Herzklopfen, das man verspürt, wenn man die eigenen Kameraden am Drücker sieht und bald selbst an die Reihe kommt, ist einfach unbeschreiblich. Schließlich sitzt du selbst am Abzug - ich hatte das Glück, meine erste Trainingsrunde als Richtschütze zu beginnen und anschließend der Ladeschütze für meinen Kameraden zu sein. Du stellst also die Optik auf deine Bedürfnisse ein, checkst noch mal deinen Sitz und wartest, bis der Kommandant hineinspringt, was die Sache in der Kabine wirklich eng macht. Dann werden alle Parameter des Feuerkontrollsystems durchgegangen: Einstellung von Fehlermeldungen und Ausrichtung, Temperatur und Windgeschwindigkeit (der Leopard 2 verwendet im Gegensatz zum Abrams keine Windsensoren mehr, weil dieses System in Deutschland als zu ungenau angesehen wird).

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Leopard 2A4 of the Austrian army, photo by Burtonpe

Endlich bekommt unser Kampfzug - die Panzer feuern ausschließlich in geschlossener Formation - über Funk die Freigabe. Wir bewegen uns also zum Schießgelände und beginnen damit, das Geschütz und das koaxiale Maschinengewehr zu bestücken. Der Ladeschütze meldet: “KE geladen, Sicher getastet!“

Als letztes stecken wir den Laserschlüssel in den Schlitz und aktivieren das Laserzielgerät (diese Freischaltung ist in Deutschland für alle Waffen vorgesehen). Einige Minuten später, die sich wie Stunden anfühlen, kommt das Ziel ins Visier. Auf dem Schießgelände besteht der Gegner aus einem elektronisch gesteuerten Gebilde aus Holz und Pappe. Es sieht nicht einmal aus wie ein Panzer, sondern erinnert nur entfernt im Umriss daran.

Es gibt diese Mannequins in verschiedenen Größen, je nachdem, ob sie einen Panzer von vorn oder von der Seite repräsentieren sollen. Unser erstes Ziel ist eine Frontatrappe, also im Grunde ein angreifender Panzer.

„Panzer, Entfernung 1400, steht”.

Das bedeutet, dass sich das Ziel in 1400 Metern Entfernung befindet, ohne dass der Entfernungsmesser neu ausrichten muss. Der Laserentfernungsmesser kann unterschiedliche Echos empfangen, je nachdem, ob der Richtschütze etwas innerhalb des Laserzielkreises anvisiert, oder außerhalb. Manchmal müssen wir mehrere Echos einholen, weil das System des Leopard 2A4 für die Entfernungsmessung standardmäßig nur das Letztecho verwendet.

Dieses mal ist das Ziel groß genug, um den gesamten Zielkreis korrekt anzulegen, was bedeutet, dass ich bei 1400 Metern ein stabiles Echo habe.

Nach einigen Funksprüchen, die ich nicht weiter beachte, befiehlt der Kommandant „Erneut lasern“. Ich messe also nochmals die Entfernung, woraufhin endlich der Befehl „Feuer“ kommt. In diesem Moment springt mein Display von 0 („Nicht feuerbereit“) auf F (“Feuerbereit“), ich drücke auf den Knopf und schreie gleichzeitig „Achtung“, um den Ladeschützen zu warnen. Der Schuss - mein Herz rast, ich schwitze und vor meinen Augen wird es schwarz.

Mein Kommandant klopft mir auf die Schulter und scheint zufrieden zu sein. Einige Sekunden später komme ich wieder zu mir, blicke durch das EMES (Hauptzielgerät) und sehe ein kleines Loch im Ziel, etwas seitlich der Mitte.

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Leopard 2A7 at Eurosatory 2010

Den Knall bekam ich gar nicht mit, nur die Erschütterung und etwas Staub. Es war ein furchteinflößendes und gleichzeitig verdammt cooles Gefühl.

Wir gaben weitere sechs oder sieben Schüsse ab, einen oder zwei auf bewegte Ziele, einen weiteren mit voll aktiviertem FKS und schließlich einen unter Notfallbedingungen, mit manueller Turmdrehung und manuell kalkulierter Entfernungsmessung. Ja, denn trotz der fabelhaften Technologie, die uns eine Trefferquote von 98% einbringt (wenn der Richtschütze nicht gerade einen Fehler macht), lernen wir auch, den Panzer manuell zu bedienen und uns beim Schießen nur auf unseren Verstand zu verlassen. Es ist ein großer Moment gewesen, als der Kommandant mein schwarzes Barett abnahm und mit einer Zange die Kanone am Panzerabzeichen nach unten knickte. Die abgeknickte Kanone ließ jeden wissen, dass ich während meines Schießtrainings alle Geschosse an ihr Ziel brachte. Es ist ein inoffizielles Zeichen, das seinen Träger extrem stolz macht.

Fortsetzung folgt - im nächsten Teil erfahren wir, wie man den Leopard 2 sauber hält und wie er sich auf dem Übungsgelände gegen den amerikanischen M1 Abrams schlägt...

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