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Fahrzeuge im Fokus: BMD-1

Der BMD-1 (Bojewaja Maschina Dessanta – Gefechtsfahrzeug der Luftlandetruppen) ist selbst noch nach fünf Jahrzehnten im aktiven Dienst eines der interessantesten Fahrzeuge auf dem modernen Schlachtfeld. Die Kombination aus hoher Mobilität und solider Feuerkraft lässt einen Vergleich mit dem Wiesel 1 zu. Das Fahrzeug ähnelt dabei eher einer Tankette oder einem Waffenträger als einem echten SPz, kann jedoch beide Rollen erfüllen – und tut es auch.

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Um die Entwicklungsgeschichte des BMD und die dahinter stehende Philosophie zu verstehen, müssen wir uns in die dramatischen Tage des Zweiten Weltkriegs zurückversetzen. Ähnlich wie die anderen am Krieg beteiligten Nationen besaß auch die Sowjetunion Luftlandetruppen, allerdings waren diese nur leicht ausgerüstet und kämpften die meiste Zeit über an der Seite der regulären Infanterie.

Anders als die U.S. Airborne und die deutschen Fallschirmjäger nahmen die sowjetischen Luftlandetruppen (WDW – Wozduschno-Desantnye Wojska) an keinen größeren Fallschirmeinsätzen teil. Allerdings analysierten sie ganz genau jeden fehlgeschlagenen Lufttruppeneinsatz der deutschen Aggressoren sowie die dramatischen Absprünge der Alliierten in der Normandie und konnten daraus eigene Schlüsse ziehen.

Die erste Erkenntnis lautete, dass die Feuerkraft der Luftlandetruppen radikal erhöht werden musste. Während des Zweiten Weltkrieges waren Fallschirmjäger oft nur leicht bewaffnet. Ein Fahrzeug, das zusammen mit ihnen abgesetzt und mit einer relativ starken Kanone ausgerüstet sein würde, wäre deshalb auf dem Schlachtfeld von großer Hilfe, um der zu erwartenden Präsenz von feindlichen Stellungen oder Panzerfahrzeugen etwas entgegenzusetzen. Der Preis für diese große Lektion wurde mit dem Blut der amerikanischen und britischen Fallschirmtruppen in der Normandie bezahlt und führte in der Nachkriegszeit zur Entwicklung leichter und lufttransportfähiger Geschützplattformen, sowohl bei den Amerikanern (M56 Scorpion), als auch bei den Sowjets (ASU-Serie von Sturmgeschützen).

Die zweite Erkenntnis aus dem Debakel lautete, dass die Truppen nach der Landung über adäquate Transportmöglichkeiten verfügen mussten. Etwas stärker gepanzertes, als die leichten Transporter, die vor dem Krieg und in der frühen Phase des Konflikts von den Sowjets eingesetzt wurden, etwas in der Art eines MTW, etwas, mit dem sie hinter den feindlichen Linien mobil sein und Zerstörung anrichten konnten, was ja schließlich der Sinn und Zweck von Luftlandetruppen ist.

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Und warum zwei unterschiedliche Fahrzeuge bauen, wenn man die beiden Ansätze in einem Modell kombinieren konnte?

Die ursprüngliche Idee lautete, die Luftlande- und die Bodentruppen mit ein und demselben Fahrzeug auszustatten. Da gab es etwa den BMP-1, der auch von den Luftlandetruppen getestet wurde, deren Ansprüchen jedoch nicht genügte. Zum einen war er für die standardmäßige sowjetische Transportmaschine seiner Zeit (Antonow An-12) zu schwer. Zum anderen auch zu groß – der Innenraum des Flugzeugs fasste nur einen dieser Panzer, was die Menge der einsatzfähigen Fahrzeuge in einer Operation stark beschränkte. Darüberhinaus existierte zu jener Zeit kein geeignetes System für den Abwurf des BMP aus der Luft.

In anderen Worten benötigten die Luftlandetruppen ein kleineres Fahrzeug mit vergleichbarer Feuerkraft. Ein kleineres Fahrzeug würde die Menge der transportierbaren Truppen reduzieren, was wiederum die Streitkräfte am Boden niemals akzeptiert hätten, sodass die Idee eines „gemeinsamen SPz“ begraben wurde.

Die Entwicklung eines exklusiv für die Luftlandetruppen gedachten SPz begann auf Initiative des Oberbefehlshabers der WDW, Generaloberst W. F. Margelow, und erhielt volle Unterstützung seitens der Armee und der politischen Führung. Das Fahrzeug sollte:

  • Zum Lufttransport und Abwürfen tief im feindlichen Gebiet geeignet sein
  • Den Luftlandetruppen schnelle Angriffe hinter den feindlichen Linien ermöglichen
  • Über ausreichend Feuerkraft verfügen, um nicht nur gegen weiche Ziele vorzugehen, sondern auch gegen feindliche Panzer
  • Besatzung und Truppen ausreichend gegen Kleinkaliberwaffen zu schützen
  • Amphibisch sein

Es wundert kaum, dass die Ingenieure angesichts der Aufgabe, alle diese Anforderungen zu einem einzigen Fahrzeug zu kombinieren, zunächst überaus skeptisch waren, doch als Margelow (seines Zeichens Held der Sowjetunion und politisches Schwergewicht) sich die Unterstützung des Marschalls der Sowjetunion sicherte, hatten sie keine andere Wahl, als es zu akzeptieren.

In den frühen 1960er-Jahren führte Margelow Gespräche mit Vertretern von Konstruktionsbüros, Luftlandetruppen und Panzeringenieuren, um sie von seiner Vision zu überzeugen. Seine Bemühungen fruchteten im April 1964, als mehrere Konstruktionsbüros mit dem Entwurf eines solchen Fahrzeugs beauftragt wurden. Die oben genannten Anforderungen wurden angepasst, um leistungsmäßig auf einer Stufe mit den Parametern des Objekt 765 (BMP-1-Prototyp) zu sein, bei gleichzeitigem Gewichtslimit von 10 Tonnen, um bequem mit dem Frachtflieger An-12 transportiert werden zu können.

Es gab zwei Herangehensweisen an das Projekt, die jeweils von unterschiedlichen Konstruktionsbüros vertreten wurden. Der Ansatz der Maschinenfabrik in Mytischtschi (Konstruktionsbüro MMZ unter der Leitung von N. A. Astrow, eines der Entwickler des SU-76) und des militärischen Forschungsinstituts VNII-100 (unter de Leitung von W. S. Starowjotow) sah ein Fahrzeug vor, das je nach Bedarf für den einmaligen Einsatz produziert werden und Teile des AT-P-Traktors, der SFL SU-76 und des Panzerwagens BRDM-2 verwenden sollte. Das Fahrzeug wäre extrem billig, seine Leistung durch die Verwendung von Komponenten aus den oben genannten Fahrzeugen entsprechend beschränkt. Man argumentierte damit, dass die exklusive Nutzung durch Luftlandetruppen keine Priorität bei der Produktion garantieren und man deshalb eher auf existierende Teile zurückgreifen würde.

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Der zweite Ansatz, vertreten durch das Konstruktionsbüro des Wolgogradski Traktorny Sawod (Wolgograder Traktorenwerk, kurz WgTS) unter der Leitung von I. W. Gawalow ging von einem serienmäßig produzierten Fahrzeug aus. Man argumentierte damit, dass der neue BMD, der kurzfristig und gezielt hinter feindlichen Linien abgeworfen werden konnte, wichtig genug war, um sich eine Prioritätsstellung bei der Produktion zu sichern. Außerdem vertrat Gawalow die Meinung, dass die in den Anforderungen aufgestellten Leistungsmerkmale nicht auf Kosten von Beschränkungen modifiziert sollten, die ihnen durch existierende Komponenten auferlegt wurden.

In der Folgezeit stellten alle drei Konstruktionsbüros eine Serie von Entwürfen vor. Allen gemeinsam war die Bewaffnung – ein mit einer 73-mm-Glattrohrkanone ausgerüsteter Turm, der vom BMP-1 übernommen wurde. Die Vorschläge von MMZ und VNII-100 scheiterten schlichtweg daran, dass sie einige der zentralen Anforderungen des WDW nicht erfüllten, als da wären die Fähigkeit des Fahrzeugs, an einem Fallschirm abgesetzt, sowie aus eigener Kraft und ohne zusätzliche Modifikationen in die An-12-Maschine ein- und ausgeladen zu werden.

Das Modell aus Wolgograd hingegen konnte diese Anforderungen dank der hydraulischen Federung und dem inneren Aufbau erfüllen. Tatsächlich existierten zwei Modelle, die beide die Bezeichnung Objekt 915 trugen. Sie unterschieden sich nur durch den Aufbau des Besatzungsraums. Beide wurden von einem 250-PS-Dieselmotor des Typs UTD-20 (genauer gesagt dessen UTD-20A-Variante) angetrieben, dem einzigen Motor, der klein genug war und genügend Leistung aufbrachte.

Schritt für Schritt verwandelten sich diese Entwürfe in Prototypen. Die Entwicklung von Objekt 915 lief von 1964 bis 1967. Das erste Vorführmodell war 1965 fertig, ein Jahr darauf entstand der erste Prototyp.

Das Fahrzeug wog 7,2 Tonnen und wurde von einem 240-Dieselmotor vom Typ 5D20 angetrieben (eine modifizierte Version des UTD-20-Motors), was ihm ein Leistungsgewicht von 33,3 PS/t verlieh und auf 61 km/h beschleunigte. Das Fahrzeug war amphibisch (die Schwimmgeschwindigkeit betrug 10 km/h) und besaß eine hydraulische Federung, mit der man die Bodenfreiheit je nach Bedarf anpassen konnte. Sie wurde auch eingesetzt, um dem BMD-1 den Einstieg in die Antonow zu erleichtern (die Bodenfreiheit konnte zwischen 10 und 45 cm betragen) und garantierte somit die Lufttransportfähigkeit des Fahrzeugs.

Die Besatzung bestand aus zwei Mann. Der Fahrer saß in der Wanne und der Richtschütze/Kommandant in einem 1-Mann-Turm mit der 73-mm-Niederdruckkanone „Grom“ (HE- und HEAT-Munition), einem koaxialen 7,62-mm-Maschinengewehr und einem 9K11-Werfersystem für 9M14 oder 9M14M „Maljutka“-Raketen. Im wirklichen Leben führte das Fahrzeug nur drei dieser Raketen mit sich. Das Kanonenrohr konnte sich um +30 Grad heben und nur um -4 Grad senken.

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Den größten Nachteil des Fahrzeugs stellte seine dünne Panzerung dar, die nur gegen Kleinkaliberwaffen schützte. Die Panzerungswert sahen wie folgt aus:

  • Obere Frontalplatte: 15 mm (angewinkelt bei 75 Grad)
  • Untere Frontalplatte: 32 mm (angewinkelt bei 47 Grad)
  • Obere Seitenpanzerung Wanne: 23 mm
  • Obere Seitenpanzerung Wanne: 20 mm
  • Oberseite Wanne: 12 mm
  • Unterseite Wanne: 12 mm
  • Heckpanzerung: 15-20 mm
  • Turmfront: 22 mm (angewinkelt bei 42 Grad)
  • Turmseiten: 18 mm (angewinkelt bei 33 Grad)
  • Turmheck: 12 mm (angewinkelt bei 21 Grad)
  • Oberseite Turm: 5 mm

Was die Sache noch schlimmer machte: Um das Gewicht so niedrig wie möglich zu halten, bestand die Panzerung nicht aus Stahl, sondern aus Aluminium.

Objekt 915 durchlief seit 1967 militärische Tests, die zu einer Reihe von Änderungen des Designs führten. Das Fahrzeug stellte sich als extrem geländetauglich heraus und die Federung hatte positive Auswirkungen auf die Präzision in Bewegung. Die Resultate waren so gut, dass die Serienproduktion bereits 1968 begann – also ein Jahr, bevor das Fahrzeug offiziell in den Dienst akzeptiert wurde und den offiziellen Namen BMD-1 erhielt (das geschah am 14. April 1969).

Seit seiner offiziellen Indienststellung nahm der BMD-1 an mehreren bewaffneten Konflikten rund um den Globus teil, darunter im Sowjetisch-Afghanischen Krieg, den kriegerischen Auseinandersetzungen in Tschetschenien und mehreren Konflikten in den ehemaligen Sowjetrepubliken. Einige Fahrzeuge (wahrscheinlich 10, die Angaben unterscheiden sich je nach Quelle) wurden in den frühen 1980er-Jahren an den Irak verkauft – und allesamt im ersten Golfkrieg zerstört. Kürzlich sind einige von ihnen in der Ukraine eingesetzt worden und mussten schwere Verluste hinnehmen. Insgesamt wurden 3800 Einheiten produziert.

Der BMD-1 bildete den Ausgangspunkt für eine Reihe weiterer Fahrzeuge, einschließlich des modernisierten BMD-1P und des MTW BTR-D. Sowohl in Russland, als auch in anderen Ländern sind noch einige Einheiten im Einsatz, generell aber kann gesagt werden, dass der BMD-1 als Standard-SPz längst ausgedient hat und das in einem vielleicht noch größeren Ausmaß, als sein Gegenstück bei de Infanterie, der BMP-1. Seine dünne Panzerung und die geringe Größe ermöglichen kaum Nachrüstungen und machen das Fahrzeug extrem verwundbar im Kampf gegen moderne SPz, deren Bewaffnung aus mehr als einem Maschinengewehr besteht, was bei jedem Einsatz zu hohen führt.

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Genau hierin liegt das Problem des BMD-1, der im Gegensatz zum BMP-1 glücklicherweise niemals in der ihm eigentlich zugedachten Rolle zum Einsatz kam (als Teil der sowjetischen Elite-Luftlandetruppen gegen die NATO). Mehrere dieser Blitzangriffe wurden während der sowjetischen Intervention in Afghanistan erfolgreich durchgeführt, doch sie bildeten eher die Ausnahme und der Einsatz des BMD-1 als Standard-SPz führte stets zu großen Verlusten.

Bei Armored Warfare ist der BMD-1 ein Tier-3-SPz und bildet das leichtere Gegenstück des BMP-1. Er verfügt über nahezu identische Bewaffnung, besitzt aber eine bessere Sichtweite und Tarnung, was ihn geeigneter für Spähereinsätze macht. Die Trefferpunkte wiederum sind niedriger (was der kleineren Größe Rechnung trägt) und die Panzerung ist wie im wirklichen Leben sehr dünn, was nur gegen Geschosse hilft, die bei einem extremen Winkel auf die obere Frontalplatte aufschlagen. Und schließlich ist auch seine Mobilität trotz des geringeren Gewichts im Vergleich zum BMP-1 nicht sonderlich höher – beide Fahrzeuge liegen hier gleichauf, wobei sich der BMD-1 etwas klobiger anfühlt.

Gut getarnt zu bleiben und sich im richtigen Moment zu bewegen bilden beim BMD-1 den Schlüssel zum Erfolg.

Wir sehen uns auf dem Schlachtfeld!

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